Lenny's neue Freiheit


Foto zVg Karin & Lenny
Foto zVg Karin & Lenny

Seit über 20 Jahren begleiten mich Hunde. Als Kind spazierte ich mit Hunden aus der Nachbarschaft, als junge Erwachsene hatte ich meinen eigenen Hund bzw. Hunde, führte ein Tierheim, betreute unzählige Ferienhunde und gab hier den einen und dort den anderen Tip, wenn jemand Fragen bezüglich Hundeerziehung hatte.

 

Ende 2008 kam Lenny in mein Leben und mit ihm eine ganz neue Art von Hund, auf jeden Fall für mich. Er ist ein Podenco-Schäfer(?)-Mix und hat seine Kindheit und Jugend auf der Strasse verbracht. Lenny brachte somit Erfahrungen mit, die bis jetzt keiner meiner bisherigen Hunde hatte, zudem habe ich mir mit dem Podenco-Anteil in ihm einen Vollblutjäger angelacht. Am Anfang ging alles gut: Lenny hatte sehr schnell eine sehr starke Bindung zu mir. Er lernte rasch, was ich von ihm wollte und kooperierte wunderbar. Nach ca. einem halben Jahr waren wir im Schwarzwald unterwegs. Lenny und Yaris (der vor 2 Jahren verstarb) waren frei im Wald und wir hatten sie gut unter Kontrolle. Plötzlich tauchten aus dem Nichts 2 Rehe keine 100m vor unseren Augen auf und rannten quer durch den Wald. Lenny wie der Teufel hinterher (Yaris blieb bei uns, wie ich es mir bis dahin gewohnt war von meinen Hunden...). Nach 10 Minuten tauchte Lenny ausser Atem wieder auf. Glück gehabt, hätte länger dauern können und überhaupt, da hätte noch eine Menge sonst passieren können... Na ja, Freilauf im Wald war fürs Erste mal vorbei. Da Podencos auch Sichtjäger sind, war auch ausserhalb des Waldes Vorsicht geboten. Lenny konnte in weiter Ferne eine Katze ausmachen, die ich erst sehen konnte, wenn sie vor seinem Angriff flüchtete. Auch Rehe halten sich nicht an Tageszeiten. Immer wieder sichten wir Rehe am helllichten Tag und auch ganz weit weg vom Wald. Es kam, wie es kommen musste: Lenny musste die meiste Zeit an der 8m-Auszugsleine bleiben, da ich ihn ganz einfach nicht mehr kontrollieren konnte. Er schien nicht unglücklich zu sein - und trotzdem... Wir gingen oft an der Aare spazieren, wo er Freilauf geniessen konnte, da auf der einen Seite die Aare und auf der andern Seite die Autobahn ist - sprich, es ist wildfrei. So zogen die Monate um nicht zu sagen Jahre ins Land...

 

Im Sommer 2012 las ich auf einem Facebook-Post, dass es noch einen Platz in einem 2h-Kurs zum Thema "Belohnst du noch oder verstärkst du schon" hat. Ich hatte gerade nichts besseres zu tun und meldete mich an. Diese Entscheidung veränderte vor allem Lenny's Leben: Ich lernte, nach all meinen Erfahrungen eine völlig neue Art kennen, wie ich mit meinem Hund kommunizieren kann. Der kurze Kurs veränderte zwar noch nicht viel, sondern verwirrte mich mehr, aber er hat mir neue Perspektiven gezeigt. Eva Zaugg hat mir erklärt, dass es möglich sei, Lenny wieder frei laufen zu lassen. Ich war skeptisch, konnte aber an ihrem Windhundmix deutlich sehen, dass auch ein Windhund(mix) sehr gerne mitarbeitet und sich kooperativ zeigen kann. Zuhause liess ich alles mal etwas setzen und las mich im Internet durch verschiedene Seiten. Ebenfalls buchte ich kurzum eine Einzelstunde, um meine vielen Fragen und Unklarheiten im neuen Umgang mit Lenny anzugehen. Es ist unglaublich, welche Fortschritte Lenny bereits gemacht hat: Offline am See ist ohne Einschränkungen möglich (war undenkbar, weil er Enten und Schwäne vom Ufer verscheuchte - nicht zur Freude der anderen Seebesucher...). Offline in landwirtschaflticher Gegend ist mittlerweile möglich, bedingt von mir noch grosse Aufmerksamkeit, damit ich eine allfällige Katze vor ihm sehe. Katzen im Quartier begegnen wir heute völlig easy und freuen uns über jede, die wir sehen. Im Wald sind kurze Sequenzen (ca. 1/2 Stunde) offline (Schleppleine) möglich. Auch hier ins es sehr wichtig, dass ich Lenny gut lese und voll aufmerksam bin. Allerdings prescht er nicht mehr einfach mal drauf los durch die Büsche, sondern er zeigt eine allfällig zunehmende Erregung deutlich an. Die meiste Zeit weicht er nicht mehr als 10m von meiner Seite und freut sich über meine verstärkenden Signale. Ich habe im Allgemeinen genug Zeit, Lenny anzuleinen und zu sichern. Beim leisesten Gefühl, welches sich bei mir meldet und mir sagt, vielleicht wäre es an der Zeit, ihn JETZT anzuleinen, wird von offline zu online gewechselt.

 

Ich bin so begeistert von der "neuen" Art mit Lenny umzugehen, dass ich mich dazu entschlossen habe, nächsten Frühling die Ausbildung zur Hundetrainerin SKN bei pro cane familiari anzufangen.

 

Danke Eva, dass du mir den Weg zeigst, wie ich die Kooperation von Lenny erlange. Danke auch für dein Verständnis und die aufmunternden Worte, wenn mein Enthusiasmus wieder mal alles auf einmal will! :-) Und danke für deine grossartige Unterstützung zum Erlangen meines Zieles: Lenny so viel Freiheit wie möglich zurück zu geben!

 

Danke Lenny, mein Freund und Lehrer, dass du mir so deutlich zeigst, dass ich nun auf dem "richtigen" Weg bin. Es ist ein tolles Gefühl, dass du mich verstehst und mit mir kooperierst. Danke auch für deine Geduld, die du mit mir hast. Ich werde dir mehr und mehr vertrauen können und du dadurch mehr und mehr Freiheit zurückbekommen.

 

Karin Roth, im September 2012