Mein Wort für 2016: Veränderung

Foto: N. Thalmann zVg
Foto: N. Thalmann zVg

Letztes Jahr um diese Jahreszeit spielte ich im Internet ein Namensspiel. Dieses Spiel sagte mir voraus, mein Name "Nadine" stünde im Jahr 2016 für das Wort "Veränderung".

 

Wenn ich heute an das vergangene Jahr zurückdenke bin ich froh um alles, was ich im 2016 bisher erleben durfte! VERÄNDERUNG!

 

Auf dem Hundeplatz entwickelte sich mein Groenendal Rüde Joy wie ich es mir von ihm wünschte! Ich war stolz darauf, was wir beide erreichten!

 

Zuhause war er angenehm - aber wehe es ging nach draussen - in den Alltag!

Ich fühlte mich so schrecklich hilflos.

Mein Wunsch nach Hund

Foto: N. Thalmann, zur Verfügung gestellt
Foto: N. Thalmann, zur Verfügung gestellt

2009 stand ich da mit dem unbändigen Wunsch mein Leben mit einem Hund zu teilen. Ich hatte mich intensiv mit der Rasse Groenendael auseinandergesetzt und stand bereits mit einer Schweizer Züchterin in Kontakt. Leider hatte ihre Hündin nicht aufgenommen. Da ich aber nicht mehr warten wollte bat sie mir ihre Hilfe an auf der Suche nach einem zukünftigen Begleiter und Sporthund. Im März 2010 war es dann soweit. In der Nähe von Oulu in Finnland waren 7 Welpen zur Welt gekommen.

 

Tja und Ende April 2010 war es dann soweit: Joy machte sich gemeinsam mit mir und meiner inzwischen guten Freundin, der Schweizer Züchterin, auf den Weg in die Schweiz.

Auf in den Hundesport

Von Anfang an war für mich klar: Wir wollen gemeinsam Hundesport machen. Genau genommen Obedience.

 

Joy war von Beginn weg mit viel Energie dabei und so wuchs auch der Wunsch vom grossen Ziel:

Meisterschaften zu gewinnen! Klar doch im Alltag muss man dem Welpi ja auch alles Mögliche zeigen, aber Hauptsache im Training entwickelt sich alles wie gewünscht. Das tat es auch und so hatten wir es an insgesamt vier Weltmeisterschaften geschafft.

Fotos: N. Thalmann, zur Verfügung gestellt

Mit gerade mal 3 Jahren bestritten wir die erste World Championship der Fédération Mondial du Berge Belge FMBB in Koper. Wir standen ganz oben auf dem Podest, der Pokal war fast so gross wie Joy und die Lust auf mehr bei mir noch viel grösser.

 

Oder war es einfach logisch, dass noch mehr kommen musste?

Auf dem Hundeplatz entwickelte sich weiterhin alles wie gewünscht, hier und da ein paar Schritte zurück und wieder vor. Wir nahmen an zwei weiteren FMBB teil und an einer WM der Fédération Cynologique Internationale FCI.

 

Doch was war eben der Hundeplatz... Was war neben dem Hundeplatz?

Eigentlich müsste doch alles funktionieren. Ein Hund mit so einer Ausbildung, mit so einem hohen Trainingsniveau, der muss doch im Alltag völlig easy funktionieren...

Fotos: N. Thalmann, zur Verfügung gestellt

Neben dem Hundeplatz pfeift ein anderer Wind

Nun. Dem war eben nicht so. Joy funktionierte im Alltag eben nicht so, wie ich es mir wünschte. Zu Hause war er ja ganz angenehm. Aber wehe es ging nach draussen!

 

Fremde Hunde wurden angepöbelt - ausser Mutti gab rechtzeitig und klar den Ton an!

Wehe wenn er losgelassen! Die Schweiz ist überfüllt mit Wild! Somit musste Joy auch permanent nach Wild Ausschau halten. Je länger, je schlimmer, je intensiver. Alles was sich bewegte, sei dies, ein Vogel raschelte in der Hecke, die Katze, die durch einen Vorgarten spazierte, die Explosion am Reh, welches unseren Weg kreuzte, auch schon nur ein kleiner Erdhügel auf dem Feld liess ihn schier aus dem Fell rutschen! Alles musste ge- oder verjagt werden.

  • "Du musst in halt draussen beschäftigen, dann kommt er nicht auf dumme Gedanken."
  • "Leg ihm eine Schleppleine an und übe den Rückruf."
  • "Du musst ihn halt auslasten!"

Das und vieles mehr gab es als Rat und wurde von mir auch umgesetzt.

Geholfen hat es nicht wirklich...

 

Joy mochte andere Menschen nicht leiden. Oft wurden diese angeknurrt oder angebellt sobald sie zu nah an ihn und uns ran kamen.

  • "Du musst die Kontrolle behalten!",
  • "Du musst ihm nur sagen was er zu tun hat, lass ihn nicht zu den Leuten hin!"
  • "Er braucht das nicht, das ist ein Sporthund und nicht ein Schosshund!"

...

Die Zeitbombe

Joy entwickelte sich zunehmend zu einer tickenden Zeitbombe. Bis zu dem Tag als die Zeit dieser Bombe abgelaufen ist:

 

Joy tickte auf ein einfaches Türgeräusch in einer Tiefgarage ungesichert aus. Er startete kopflos durch und griff den kleinen Hund des Nachbarn an. Ohne Vorwarnung! Denn er hatte gar nicht gesehen auf wen oder was mit 30 Meter Anlauf losstürmte. Es ist alles glimpflich verlaufen - zu unserem grossen Glück, und doch:

Mein Joy ist ausgetickt, der Tag an dem ich nicht schnell genug reagieren konnte, war gekommen. Erstaunlich. Es hatte 6 Jahre gedauert. Ich war 6 Jahre lang schnell genug, Vorfälle zu verhindern.

 

Was für eine düstere Erkenntnis!

"Joy ist doch aber nicht böse!". Nein das war und ist er wirklich nicht. Aber seine Anspannung war extrem. Joy balancierte ständig wie auf einem ultra dünnen Strang. Gespannt wie ein Bogen, dessen Pfeil sich beim nächsten drauf fallenden Staubkorn loslöst.

Zum Denken blieb ihm keine Zeit übrig.

Hilfe suchen

Ich fühlte mich schrecklich hilflos und zu gleich die Gedanken, ich hätte den Hund doch schon so weit gebracht, es müsste doch hinzukriegen sein! Nun. Vor einem Jahr fasste ich den Entschluss, dass wir uns Hilfe holen müssen. Denn nein, ich kriegte das nicht alleine hin. Ich hatte 6 Jahre versucht, Joy unter Kontrolle zu halten. Und es war kein bisschen besser geworden. Er tickte immer noch weiter vor sich hin, der Pfeil drohte sich immer wieder zu lösen. Ich fühlte mich unsicher und machtlos den Situationen ausgeliefert.

 

Eines war mir klar, es würde nicht einfach werden jemanden zu finden, der uns helfen kann. Zumindest nicht in meinem damaligen Umfeld. "Hoffnungslos!", dachte ich bis zu der Nacht als ich mit einer sehr guten Freundin erstmals offen über unsere Probleme sprach. Sie erzählte mir von einer Trainerin, von welcher sie viel Gutes gehört habe. Auf ging es ins Internet, da! Ein Seminar!

  • "Was sollen wir an einem Seminar?! Es musste sich grundlegend etwas ändern! Denn mit der Art und Weise mit der ich versuchte unser Zusammenleben zu verbessern, komme ich nicht weiter."
  • "Würden vier Seminartage alleine genügen, mich und uns umzukrempeln?!"
  • "Und was mache ich dann wieder zu Hause, wer hilft mir dann?!"

Alle diese Fragen und Gedanken sprangen wild durch meinen Kopf.

"Da muss es doch jemanden in der Schweiz geben!", dachte, und fand: Anfang 2016 füllte ich ganze drei Mal das Anmeldeformular aus für ein Privatcoaching bei Eva Zaugg, seinmithund.ch...., bis ich es auch endlich abschickte.

Eingeständnisse

Es ist nicht einfach sich einzugestehen, dass

  • man mit einer Situation nicht alleine klar kommt,
  • man wohl vieles falsch gemacht hat,
  • man doch schon früher etwas hätte andern müssen.

Es ist nicht einfach sich einzugestehen: > Wir brauchen Hilfe! <

 

Es ist nie zu spät, einen anderen Weg einzuschlagen...

Neue Wege

Vom ersten Mailkontakt an hatte ich ein gutes Gefühl. Während wir kaum noch auf das erste Treffen warten mochten, wurde Joy auf anraten von Eva tierärztlich untersucht. Wir besprachen seine Ernährung und tauschten noch einige weitere Informationen aus. Ich fühlte mich ernst genommen. Die Vorgehensweise war ganzheitlich betrachtet und sorgfältig bearbeitet.

 

Dann, Ende Februar 2016 fand unser erstes Treffen mit Eva statt. "Wir gehen einfach mal spazieren, du erzählst mir etwas von euch". Ganz genau hat Eva uns beobachtet! Wir hatten sehr offen miteinander geredet. Irgendwo zwischen offen über ein Problem sprechen und der folgenden Erleichterung flossen auch ein paar Tränen.

Die Erkenntnis: Nun, mit allen Beschäftigungen, wie zum Beispiel regelmässig (z.T. mehrmals wöchentlich!)

  • Obedience,
  • Mantrail,
  • Bikejöring,
  • Hoopers,
  • im Sommer Schwimmen,
  • im Winter Skijöring und
  • der ständig aufrecht gehaltene Leistungsdruck...

Hmm..., bei uns Menschen führt das auf Dauer zu einer mindestens Überreizung des Nervensystems bis hin zu einem veritablen Burnout! Heute bin ich klar der Meinung: das ist bei Hunden auch so!

Wir bekamen von Eva den Auftrag: "Navi schöne schöne Route!" - mit vollständiger Entschleunigung. Auch sollte ich regelmässig Tagebuch führen. Hinsehen, beobachten, erkennen lernen. Wir zusammen. Gemeinsam.

Schluss mit der Gratwanderung, mit dem "Gegeneinander". Geduld mit mir und Joy!

Anfangs war es nicht einfach entspannt zu schlendern mit meinem geladenen Hund. Im Sport mal Pause zu machen, eigentlich alle Aktivitäten zu pausieren, von denen ich glaubte, er brauche sie um ausgeglichen zu sein. Einfach mal alles weglassen und zusammen durchatmen. Sich Zeit nehmen und uns Zeit lassen, auch wenn wir uns "nur" eine Stunde am Waldrand hinsetzten, der Natur lauschten und die Seelen baumeln liessen.

Klar bekamen wir auch ein, zwei neue Trainingstool und -anwendungen mit nach Hause und in unseren Alltagsrucksack gepackt, die uns schwierige oder überraschende Situationen besser meistern liessen.

 

Verständnis erlernen, Verständnis durch verstehen, sehen, erkennen.

Das war meine Aufgabe.

Wohliges Wälzen und strahlende Hundeaugen

Foto: N. Thalmann, zVg
Foto: N. Thalmann, zVg

Es ist unbeschreiblich schön, wenn du nach 6 Jahren zum ersten Mal seit du dich erinnern kannst, deinem Hund zuschaust wie er sich total entspannt! Wie er sich am Waldrand an einem sonnigen Mittag genüsslich im Gras wälzt und anschliessend auf einem Stock rum kaut.

 

"Das ist doch das normalste der Welt!", denkst du jetzt vielleicht...

Aber nicht für Joy - da noch nicht.

 

Ziemlich schnell kam der Tag als ihm in die Augen sah und er einfach nur zufrieden strahlte! "Er hat einen anderen Blick", sagte ich damals.

 

Heute stehen wir am Morgen auf und freuen uns über jede Minute, die wir zusammen verbringen. Ganz egal was wir gemeinsam machen. Auch wenn wir einfach "nichts" tun, wird sind jetzt gemeinsam, im Miteinander und Füreinander.

 

Ich habe einen Strich unter meine Hundesportkarriere gezogen und meinen Blickwinkel auf meinen Hund verändert.

 

Heute darf ich in meinem Joy seine unglaubliche Kooperation erkennen.

Sein Wille und seine Liebe für uns.

Foto: N. Thalmann, zur Verfügung gestellt
Foto: N. Thalmann, zur Verfügung gestellt

In Situationen, in denen ich früher ein klares Kommando für unerlässlich und auch angemessen hielt, kann ich Joy heute fragen:

 

"Joy...., kannst du..?", und siehe da! Selbstverständlich "kann" Joy!

 

 

Heute konzentrieren wir uns darauf, unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen, unsere Sinne im Gleichgewicht anzuregen und beide zur Ruhe zu kommen. Unsere Sinne richtig beschäftigt, läuft es mit uns seither wie ein Schweizer Uhrwerk!

 

Wir arbeiten immer noch daran bei intensiven Reizen die Contenance zu bewahren.

 

WIR arbeiten daran! Jedes für sich und wir gemeinsam.

Heute sind wir unser Leben

Foto: von der extremst glücklichen und auf das Team stolze Eva
Foto: von der extremst glücklichen und auf das Team stolze Eva

Es ist einfach viel befriedigender wenn ich meinen Hund nicht anschreien muss!

 

Wenn ich das Wieso seines Verhaltens erkenne, verstehe und weiss, wie ich ihm helfen kann, neue Strategien einzuüben.

 

So kommen wir gemeinsam unserem Ziel "Alltag" näher. Schritt um Schritt. Joy kann zunehmend häufiger verschiedene Situationen selbstwirkam gut bewältigen und/oder gar selbstständig lösen. Er muss diese Situationen nicht mehr "nur unter meinem Kommando und unter meine Kontrolle" über sich ergehen lassen.

 

 

 

6 Jahre lang war der Hundesport mein Leben.
Heute sind wir unser Leben.
-Nadine Thalmann, November 2016