Angriff ist die beste Verteidigung

"Duuu, Eva..., darf ich dich etwas fragen wegen meinem Hund? Du verstehst doch so viel von Hunden. Ich brauche einen Tipp wegen meinem Hund", sprach mich eine Bekannte beim Frühstückskaffee an.

 

"Ja, sicher - um was geht es denn?"... Und ich lauschte den Ausführungen der Besitzerin mit dem unsicheren Hund. 

 

Langer Rede, kurzer Sinn:

Es ging um einen wahnsinnig schnell reagierenden Hund, der auf andere Hunde losstürmt und - wenn er kann - diese zur Schnecke macht. Natürlich, weil er in der Vergangenheit selbst unter die Räder geraten war.

Natürlich ist der Hund so schnell, dass der Mensch ja praktisch keine Chance hat zu reagieren. Und natürlich sind die anderen freilaufenden Hund doof, respektive derer Besitzer so rücksichtslos, den eigenen Hund nicht zurückzurufen und ebenfalls anzuleinen. Und klar, nein, sie würde das Verhalten ihres Hundes keinesfalls tolerieren und jeweils sofort unterbinden...!

"Was tust du denn, um das Verhalten zu unterbinden?", fragte ich zwischen Atem holenden zwei Sätzen.

 

(...)Denkpause(...)

"Naja, ich zerre sie weg und schimpfe, weil ich nicht will, dass sie sich so aufführt!"

 

"Du bestrafst sie also?", fragte ich zurück.

 

(...)Denkpause(...)

"Ähm ja, - aber ich belohne auch, wenn sie brav ist!"

 

"Was glaubst du, warum tut dein Hund was er tut?", hakte ich nach.

 

(...)Denkpause(...)

"Naja, Angriff ist die beste Verteidigung!", antwortete sie klar, deutlich von fest von überzeugt.

 

"Prima. Und wenn du dich nun in den Hund einfühlst..., dessen Taktik offenbar heisst: <Angriff ist die beste Verteidigung> und diese sich hartnäckig hält und stets bei jeder nächsten Fremdhundbegegnung wiederholt...

Was glaubst du, wie geht es diesem Hund emotional? Was denkst du braucht es, um dieser Taktik zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk zu folgen?"

 

(...)Denkpause(...)

"Dem Hund geht es nicht gut. Es geht im vielleicht sogar ziemlich richtig dreckig!", kam die Antwort klar daher.

 

Ich lasse eine 3-Atem-Züge-Pause stehen, lächle und antworte darauf:

 

"Siehst du, du schätzt den Sachverhalt ziemlich klar und gut ein. Trau deinem Bauchgefühl! Und wenn du dich nun weiter einfühlst... Wie geht es diesem Hund, den du für pöbelndes Verhalten abstrafst? Du mit ihm schimpfst? Fühl hin! Die Bezugsperson, die dich füttert, mit dir Gassi geht, mit dir auf dem Sofa kuschelt..., der du vertraust. Diese gleiche Person leert dir bildlich gesprochen in einer sowieso schon völlig besch*** und stressenden Situation zusätzlich einen ganzen gefüllten Eimer Gülle über den Kopf...! Wie geht es dir nun?"

 

(...)Sehr kurze Denkpause..., die Gesichtszüge entgleisen, die zart rosa Gesichtsfarbe verblasst zu bleich um die Nase(...)

"Nicht gut."

Verstehen lernen. Reflektieren. eingestehen. Handeln.

Ich glaube, ich habe während diesem 5 Minuten Gespräch einen ganzen Fackelumzug der Erleuchtung entzündet. Und ja..., unter Stress reagieren wir Menschen auch nur, wie wir grad reagieren können:

Unreflektiert, hektisch, nicht im denkenden Hirnbereich aktiv, dafür reaktiv, laut, schnell, und ja..., manchmal auch grob.

 

Aber hey... Wir sind Menschen. Und wir können Situationen überdenken. Wir können Situationen nachvollziehen und daraus lernen, es ein nächstes Mal besser zu machen.

 

Hilft ein System nicht.

Dann ist es vielleicht Zeit, neue Wege zu beschreiten.

Und die Lösung liegt plötzlich ganz klar und deutlich vor deinen Füssen.

 

Lass dich darauf ein.

Es lohnt sich.

Wirst'sehen...

 

 

Eva Zaugg, Dezember 2017

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